Bürgerreisen als Brücken der Verständigung
Begegnungen in Saarbrücken, Nantes und Tbilissi
Die Städtepartnerschaften zwischen Saarbrücken und Nantes (seit 1965) sowie Tbilissi (seit 1975) stehen exemplarisch für das große bürgerschaftliche Engagement für Frieden und Versöhnung in Europa nach den Schrecken zweier Weltkriege. Sie sind Ausdruck eines tiefen Wunsches vieler Menschen, alte Feindbilder zu überwinden und aufeinander zuzugehen – nicht durch politische Direktiven, sondern durch persönliche Begegnungen. Dabei spielten organisierte Bürgerreisen eine zentrale Rolle.
Lange vor der offiziellen Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunden waren es in Saarbrücken mutige Bürgerinnen und Bürger, die sich auf den Weg machten: Gartenfachpersonal, Jugendgruppen, Kulturschaffende, Lehrerinnen und Lehrer, Mitglieder von Vereinen oder einfach neugierige Reisende, die bereit waren, Grenzen zu überschreiten – geographisch wie geistig. Jean Porhiel, ehemaliger Kriegsgefangener und Journalist in Nantes, Ehrenbürger der Landeshauptstadt, wurde zum Herz der Bewegung. Mit großem persönlichen Einsatz warb er für die Freundschaft zu Deutschland – ein symbolträchtiges Beispiel für das Versöhnungspotenzial bürgerschaftlicher Diplomatie.
Besonders in der Beziehung zu Nantes war es der Besuch der Eröffnung des Deutsch-Französischen Gartens in Saarbrücken und der „Floralies Internationales“ – einer berühmten Garten- und Blumenschau in Nantes – im Jahr 1963, der weitere Bande knüpfte. Bald darauf folgten Schüleraustausche, Pfadfinderbegegnungen, Partnerschaften von Fallschirmspringervereinen – getragen vom Engagement der Jugend und vom persönlichen Einsatz und regen gegenseitigen Besuchs zwischen Bürgergruppen aus beiden Städten.
Exemplarische Beispiele für die vergangenen Jahrzehnte
Ob Briefträgerchor, Karnevalsvereine oder von Reiseunternehmen angebotene Bürgerbegegnungen. Die Treffen waren vielfältig.
Nicht nur touristische Ausflüge
Auch die Partnerschaft mit Tbilissi nahm ihren Anfang in der Kultur und im Austausch von Menschen. Inmitten des Kalten Krieges war es das Saarbrücker Stadttheater unter Intendant Hermann Wedekind, das durch Theaterfestivals erste Kontakte in den Osten knüpfte. Die „Georgische Woche“ 1974 in Saarbrücken wurde zum Meilenstein. In der Folge reisten Delegationen, Künstler, Schüler und städtische Mitarbeitende in die georgische Hauptstadt. Gerade weil es sich um die erste Partnerschaft zwischen einer westdeutschen und einer Stadt in der Sowjetunion handelte, war das persönliche Vertrauen zwischen den Menschen von besonderer Bedeutung. Bürgerreisen wurden zur Grundlage eines Verständigungsprozesses, der politisch kaum denkbar, aber menschlich möglich war.
Diese frühen Bürgerreisen waren oft mehr als touristische Ausflüge – sie waren Gesten des Mutes, der Offenheit und des Willens zur Verständigung. In Zeiten, in denen noch viele alte Wunden offen waren, legten sie das Fundament für dauerhafte Freundschaft. Bis heute lebt diese Tradition fort: Schüleraustausche, Chorreisen, Sportbegegnungen, gemeinsame Ausstellungen und Begegnungen auf Städtefesten sorgen dafür, dass die Partnerschaften lebendig bleiben. Sie zeigen, dass echter europäischer Zusammenhalt nicht in Brüsseler Konferenzräumen entsteht, sondern auf den Straßen von Nantes, auf den Plätzen von Tbilissi, an den Saarbrücker Promenaden – und durch die Menschen, die sich auf den Weg machen.