Freundschaften entstehen
Brücken zwischen Städten, Brücken zwischen Menschen
Was heute als lebendige Städtepartnerschaften zwischen Saarbrücken, Nantes und Tbilissi besteht, begann einst mit persönlichen Entschlüssen zur Versöhnung, kulturellem Austausch und dem Mut, neue Wege zu gehen – auch über politische Grenzen hinweg.
Geschichte(n) von Krieg und Menschlichkeit
„Wenn ich den Krieg überlebe, will ich mich der Versöhnung der Völker widmen.“ Jean Porhiel, Ehrenbürger der Landeshauptstadt Saarbrücken
Im Zweiten Weltkrieg geriet der französische Soldat Jean Porhiel aus Nantes in deutsche Kriegsgefangenschaft. Trotz aller Härten erlebte er Menschlichkeit und blieb ein Leben lang seinem Vorsatz treu. Nach seiner Rückkehr 1945 gründete Porhiel eine Regionalzeitung, die später zur „Presse Océan“ wurde – ein Sprachrohr seiner Vision einer deutsch-französischen Freundschaft.
1960 weckte die Eröffnung des Deutsch-Französischen Gartens in Saarbrücken das Interesse des Nanteser Gartenbaudirektors Plantiveau, der die saarländische Stadt besuchte. Erste persönliche Kontakte – unter anderem mit dem Saarbrücker Bernhard Güth – wurden geknüpft. Bei den „Floralies Internationales de Nantes“ 1963 empfing man eine Saarbrücker Delegation, und der Gedanke einer Städtepartnerschaft nahm Gestalt an. Jean Porhiel intensivierte den Austausch, warb in den Medien und gewann den Saarbrücker Oberbürgermeister Fritz Schuster für seine Idee.
Am 15. Dezember 1964 beschloss der Stadtrat Saarbrückens einstimmig eine Partnerschaft mit Nantes einzugehen. Am 8. April 1965 wurde die Urkunde in Nantes feierlich unterzeichnet – Jean Porhiel begrüßte die Saarbrücker Delegation am Bahnhof. Am 27. April fasste auch der Stadtrat von Nantes den einstimmigen Beschluss: Die Partnerschaft war offiziell. Für seinen lebenslangen Einsatz wurde Jean Porhiel 1987 zum Ehrenbürger der Stadt Saarbrücken ernannt.
Aus den Begegnungen wuchsen dauerhafte Freundschaften
Auch die Partnerschaft mit Tbilissi, der Hauptstadt Georgiens, hat ihre Wurzeln in der Kultur. Während des Kalten Krieges, als der Eiserne Vorhang noch trennte, war es der Saarbrücker Theaterintendant Hermann Wedekind, der Brücken schlug. Der Opernregisseur, durch Kriegserlebnisse geprägt, wollte die Bühne zu einem Ort des internationalen Austauschs machen. 1966 organisierte er die „Polnischen Theatertage“, 1968 die „Russischen Theatertage“ – noch vor Unterzeichnung der „Moskauer Verträge“. 1972 reiste Wedekind auf Einladung in die Sowjetunion und wählte spontan das „wärmste Land der Union“ – Georgien.
In Tbilissi traf er auf Gleichgesinnte, und aus diesen Begegnungen wuchsen dauerhafte Freundschaften. 1973 wurde in Saarbrücken die georgische Oper „Daissi“ uraufgeführt. Zur Premiere von Wagners „Lohengrin“ in Tbilissi reiste eine saarländische Delegation, darunter auch die Stadtverordnete Otti Maurer, die eine Partnerschaft mit Tbilissi nach dem Vorbild von Nantes vorschlug. Mit der „Georgischen Woche“ in Saarbrücken 1974 war auch öffentlich der Weg bereitet.
Wichtige Wegbereiter waren zudem Organisationen wie die „Gesellschaft BRD–UdSSR“ und die „West-Ost-Freundschaftsgesellschaft“, die politische Hürden überbrückten. Am 22. März 1975 unterzeichneten der spätere Oberbürgermeister Oskar Lafontaine und Bachwan Lobshanidze im historischen Sitzungssaal des Tbilisser Rathauses stellvertretend den ersten offiziellen Freundschaftsvertrag zwischen einer westdeutschen Stadt und einer Stadt der Sowjetunion. Das Dokument, verfasst in deutscher und russischer Sprache, bekräftigte das gemeinsame Bemühen um Frieden, Austausch und kulturelle Verständigung – durch Künstlerbesuche, Delegationsreisen, Erfahrungsaustausch, Tourismus und gesellschaftliche Kontakte.
Saarbrücken hat mit diesen beiden Städtepartnerschaften ein Zeichen gesetzt: für Verständigung, für grenzüberschreitende Freundschaft – und für die Kraft, die aus Kultur, persönlichem Engagement und politischem Mut erwachsen kann.