Hinter den Kulissen

Einblicke in Leben und Wirken der Saarbrücker Kostümbildnerin Friedel Towae (1913-1998)

Im Sommer 2024 wurden dem Stadtarchiv drei Figurinen der Saarbrücker Kostümbildnerin Friedel Towae überlassen. Diese zeigen Kostümskizzen, mit weichem Bleistiftstrich umrissene Silhouetten dreier Frauen und das Fließen der sie umspielenden Gewänder. Bei zwei der Figurinen füllt ein zartes Rot die Frisuren der Damen, bei einer deutet das Rot Details wie den Halsausschnitt, den lockeren Faltenwurf sowie ein dezentes Muster des Kleides an.

Eine der Figurinen präsentiert sich in einem schwarzen Jumpsuit, darüber trägt sie ein luftig leichtes, bläulich schimmerndes langes Oberteil mit markanten lilafarbenen Akzenten an Litzen, gerüschten Ärmelabschlüssen und gekraustem Kragen. Im gleichen Farbton zeigt sich ihre expressiv gestaltete Kopfbedeckung. Nur eine der Zeichnungen ist datiert, sie stammt aus dem Jahr 1975. Die Entwürfe bestimmten Theaterstücken zuzuordnen, bliebe spekulativ.

Diese drei Figurinen Friedel Towaes machten neugierig auf ihre Entwürfe, Zeichnungen und Inszenierungen. Wie schöpfte sie als junge Frau, selbstbewusst, emanzipiert, die beruflichen Möglichkeiten, die sich ihr in den letzten Jahren der Weimarer Republik eröffneten aus, wie gestalteten sich ihre Ausbildung und beruflichen Chancen während der Nazizeit und welcher Weg führte sie schließlich nach dem Zweiten Weltkrieg an das Saarbrücker Theater?

Die Recherchen gestalteten sich dann leider schwieriger als gedacht und waren bei weitem nicht so ergiebig wie erhofft. Vor allem ihre Tätigkeit am hiesigen Theater ließ sich über eine Auflistung ihrer Inszenierungen hinaus nicht näher beleuchten und einordnen. Das Archivgut des Theaters ist derzeit nicht zugänglich. Von ihren unzähligen Figurinen konnten bisher keine weiteren im Original ausfindig gemacht werden. Hier lohnt es am Ball zu bleiben und weiter nachzuforschen.

Die Festschrift des Theaters „Grenzenlos. 75 Jahre Saarländisches Staatstheater“, erschienen 2013, schenkte weder der Abteilung Bühnenbild noch der Abteilung Kostüm Beachtung! Diejenigen hinter den Kulissen sieht man nicht. Was wäre das Theater jedoch ohne sie?

Dabei überzeugte Friedel Towae mit ihren Kostümentwürfen über 30 Jahre hinweg zahlreiche Saarbrücker Theaterbesucherinnen und -besucher. Etliche ihrer Skizzen und Zeichnungen befinden sich heute in — nicht allein Saarbrücker — Privatbesitz. Und dennoch kennt ihren Namen kaum noch jemand.

Dabei entwarf Friedel Towae während ihrer Tätigkeit am Saarbrücker Theater Kostüme und manchmal auch ganze Bühnenbilder für rund 200 Aufführungen, für unzählige Sängerinnen und Sänger, Schauspielerinnen und Schauspieler, berühmte und weniger berühmte. Ihre Figurinen illustrierten zudem die jeweiligen Programmhefte.

Die Stationen ihres beruflichen Werdegangs kennen wir aus zwei kurzen Beiträgen in der Saarbrücker Zeitung, einer erschien anlässlich ihres 65. Geburtstages am 11. August 1978.

Günter Scharwath erwähnt sie in seinem großen Künstlerlexikon der Saarregion, jedoch besitzt das Saarlandmuseum keine ihrer Zeichnungen, wie er schreibt. Gudrun Müller wählte sie als eine von 200 bemerkenswerten Frauen und Heldinnen der saarländischen Geschichte in „Frauen vor Ort, Auf Spurensuche in den saarländischen Landkreisen“ aus.

Bedauerlicherweise wusste auch ihr betagter Sohn im Gespräch mit der Autorin über die Lebensgeschichte seiner Mutter lediglich zu berichten, dass sich ihr ganzes Leben allein um das Theater drehte. „Alles andere lief nur nebenher“, worunter er selbst sehr gelitten habe.

Trotz allem scheint es lohnenswert und durchaus spannend, die bisher zusammengetragenen Aspekte ihrer Biografie an dieser Stelle vorzustellen.

Von Saarbrücken nach Berlin

Friedel Towae, die mit korrektem Namen Frieda Rosina Elise hieß, erblickte am 11. August 1913 in Saarbrücken das Licht der Welt.

Über ihre schulische Ausbildung ist bisher nichts bekannt. Ihre Kindheits- und Jugendjahre verbrachte sie zunächst in der Fischbachstraße in Malstatt, dann in der Francoisstraße in Alt-Saarbrücken sowie in der Straße Zur Mühle in St. Arnual, eh ihr Vater 1928 in der Schultze-Kathrin-Straße 23 ein Haus baute, das auch später wieder ihr Zuhause werden sollte.

Sie war das einzige Kind des Eisenbahners Friedrich Towae und seiner Frau Charlotte Dorothea. Entsprechend soll sie verwöhnt worden sein, wie ihr Sohn Anfang 2025 der Autorin erzählte. So kam es, dass der Vater seiner Tochter eine auswärtige Ausbildung an einer der größten und renommiertesten deutschen privaten Kunstschulen, der Kunst- und Gewerbeschule von Albert Reimann in Berlin, finanzierte.

Dass eine junge Frau in jener Zeit, zudem während der Weltwirtschaftskrise, im fernen Berlin, das den Mythos der „Goldenen Zwanziger Jahre“ wie keine andere Stadt verkörperte, eine Ausbildung absolvierte, war trotz aller emanzipatorischer Bestrebungen der 1920er Jahre keinesfalls selbstverständlich. Und dazu in einem künstlerischen Metier. Aber Theater, Bühne, Film, Stoffe und Kostüme waren schon immer Friedels Welt und sollten es ein Leben lang bleiben. Die Eltern unterstützten sie in ihrer Leidenschaft.  

Kunstschule Albert Reimann in Berlin

Albert Reimann förderte mit seiner Kunst- und Kunstgewerbeschule seit ihrer Gründung im Jahr 1903 explizit die emanzipatorischen Ziele der Frauenbewegung. Seine Absicht war es, vor allem Frauen das Kunstgewerbe als Berufsfeld zu erschließen. Er nahm nicht nur ohne jegliche Einschränkungen Studentinnen in seiner Schule auf, sondern beschäftigte ebenso Dozentinnen.

An der Kunstschule von Albert Reimann lernte Friedel alles, was man für das Theater- und Filmbusiness, bezogen auf Bühnenbild und Kostüm, künstlerisch, technisch wie handwerklich, wissen und können musste: Schneidern, Abformen, Schnittzeichnen, Zuschneiden, Mode-Entwurf und Illustration ebenso wie Kostümkunde und Textilkunst. Seit 1913 hatte Reimann seiner Schule die Abteilung Theater-Dekoration als „Höhere Fachschule für Theaterkunst“ angegliedert, da eine solche bisher fehlte.

Immer am Puls der Zeit, hatte er 1928 das Angebot an seiner Schule um eine Filmabteilung mit einem Fotostudio erweitert, Trickfilm und Tonfilm standen nun ebenso auf dem Lehrplan. Die filmische Ausbildung umfasste neben der Technik die künstlerische Gestaltung und Ausstattung. Auch hierfür konnte Friedel sich begeistern, wie ihr weiterer Lebensweg zeigt. Die Schule Reimanns stand für Innovation und Weltoffenheit. Zahlreiche der an der Schule beschäftigten Lehrkräfte zählten zur künstlerischen Avantgarde. Durch ihre internationale Ausrichtung zog sie Studenten aus aller Welt an.

Kennzeichen und Vorbild für spätere Kunstschulen war ihre Ausrichtung auf eine praxisnahe Ausbildung, die den Einstieg in das spätere Berufsleben erleichtern sollte. Entwerfen und selbst realisieren war das Credo Reimanns. Er schuf in seiner Schule mit ihren unterschiedlichen Werkstätten eine schöpferische Atmosphäre und vermittelte seinen Schülern und Schülerinnen jenes Rüstzeug von künstlerischer Freiheit und zugleich notwendiger Disziplin, die sie für ihre spätere berufliche Tätigkeiten benötigten.

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Kunst- und Kunstgewerbeschule Reimann Berlin - http://objekte.jmberlin.de/object/jmb-obj-478822

Kunst- und Kunstgewerbeschule Reimann Berlin - http://objekte.jmberlin.de/object/jmb-obj-478822

Kunst- und Kunstgewerbeschule Reimann Berlin - http://objekte.jmberlin.de/object/jmb-obj-478822

Da Albert Reimann jüdische Eltern hatte, sah er sich und seine Schule seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 unmittelbar den Schikanen der SA ausgesetzt. Der bisher praktizierte „freie Geist“ seiner Schule sollte sehr zügig in das nationalsozialistische Korsett gezwängt werden. Zukünftige Modeentwürfe hatten sich nun an der „Eigenart der deutschen Frau“ zu orientieren, Freizügigkeit, kurze Röckchen oder kurze Hosen waren verpönt. Für die Mode galten von nun an „Weiblichkeit, Keuschheit und Ergebenheit“ als oberste Maxime. Von Innovation und Weltoffenheit blieb nicht allzu viel übrig. Die Schule wurde mehrfach von der SA umstellt, Studierende und Lehrkräfte am Betreten gehindert.

1935 musste Reimann die Leitung seiner Schule schließlich abgeben. Er verkaufte diese an den Architekten Hugo Häring. Dieser konnte ihn jedoch nicht auszahlen und letztlich fiel Reimanns Schule der Arisierung zum Opfer, ohne jeglichen finanziellen Ausgleich. Reimann floh im November 1938, unmittelbar nach der Reichspogromnacht, zu seinem Sohn nach London, der dort eine neue Schule gegründet hatte.  Das Gebäude seiner Berliner Schule wurde bei dem großen Luftangriff auf Berlin am 23. November 1943 zerstört.

Erste Schritte auf die Bretter, die die Welt bedeuten

In jenen für die Schule unruhigen Zeiten, vermutlich ab 1930/31, absolvierte Friedel Towae ihre dortige Ausbildung. 1936 konnte sie ihr Studium mit der Prüfung für Theaterausstattung abschließen. Zunächst fand sie eine Anstellung bei den Städtischen Bühnen in Oldenburg. Ab 1940 kehrte sie dann wieder zurück nach Berlin.

Ihr bot sich zunächst die einmalige Chance, bei zwei der bekanntesten Bühnenbildnerinnen und -bildner der Zeit zu hospitieren: der namhaften, aus Russland stammenden Bühnenbildnerin Nina Tokumbet, die Friedels vielseitige Begabung erkannte und sie an einen „der größten Bühnenbildner der Welt“, wie Berthold Brecht seinen Freund, Caspar Neher, nannte, weiterempfahl. Neher und Brecht revolutionierten gemeinsam die Theaterbühne des 20. Jahrhunderts. Caspar Neher ist vor allem für seine reduzierten Bühnenentwürfe berühmt geworden und gilt als einer der bedeutendsten Bühnenbildner des 20. Jahrhunderts.

Traumfabrik Babelsberg

Parallel arbeitete Friedel für verschiedene Berliner Filmstudios, wie die R.N. Filmproduktion und die Tobis-Film AG. Neben der Mitverantwortung für die Ausstattung zahlreicher höchst prominenter Filme bot sich ihr hier die Chance, auch in einigen kleineren Nebenrollen besetzt zu werden. In „Stützen der Gesellschaft“ des später als Douglas Sirk berühmt gewordenen Hollywood-Regisseurs Detlef Sierck (1935, R.N.-Filmproduktion GmbH, Robert Neppach, Berlin) mit Heinrich George in der Hauptrolle bekam sie eine Statistenrolle.

In „Der Kaiser von Kalifornien“ (1936), Regie und Drehbuch Luis Trenker, durfte sie in die Rolle einer Bardame schlüpfen. In diesem Film der Tobis-Film AG spielte übrigens auch der in Saarbrücken geborene und später mehrfach ausgezeichnete Regisseur Wolfgang Staudte einen Einwohner San Franciscos. In „Kater Lampe“ (1936, R.N.-Filmproduktion GmbH, Robert Neppach, Berlin) durfte sie die Rolle der Tochter des Schnitzmeisters Schönherr übernehmen. Gerne hätte sie Karriere als Schauspielerin gemacht, so ihr Sohn. Vor der Kamera blieb Friedel der Erfolg jedoch verwehrt. Als Filmausstatterin und Kostümbildnerin hingegen blieb sie bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs dem Filmgeschäft treu.

Die nationalsozialistische Filmpolitik bescherte dem deutschen Film einen regelrechten Boom. Bereits 1933 wurden Film und Filmkritik Joseph Goebbels unterstellt. Er baute als selbsternannter „Schirmherr des deutschen Films“ Babelsberg zur UFA-Stadt aus und stellte die gesamte deutsche Filmindustrie unter staatliche Kontrolle: von der Stoffauswahl über die Produktion bis zum Verleih. Produziert wurden vor allem Unterhaltungsfilme, Literaturverfilmungen und historische Porträts heroischer Persönlichkeiten. Trotz des Krieges lief die deutsche Filmindustrie während der NS-Zeit auf Hochtouren. Der Film sollte die Bevölkerung von Leid und Not ablenken und sie bei Laune halten. Die Zahl der verkauften Kinokarten verdoppelte sich von 624 Millionen im Jahr 1939 auf 1,117 Milliarden im Jahr 1943. Mit 8600 Kinos besaß das Deutsche Reich mehr Kinos als die USA.

Für Friedel schlossen sich in jenen Jahren Arbeiten bei der Gründgens-Produktion der UFA an. Ihre nächsten Stationen waren die Terra-Filmproduktion bei Arthur Maria Rabenalt und der Heinrich-George-Produktion der Tobis-Filmgesellschaft. Bis Ende des Krieges arbeitete sie für die Berliner Filmstudios und entwarf Kostüme für „Leichte Muse“ (1941) und den höchst erfolgreichen Film des Regisseurs Hans Steinhoff „Rembrandt“ (1941/42) von Arthur Maria Rabenalt mit Ewald Basler und Hertha Feiler in den Hauptrollen. Es folgten „Die große Nummer“ (1942), „Floh im Ohr“ (1942/43), „Die Wirtin zum Weißen Rössl“ (1942/1943), „Eine kleine Sommermelodie“ (1943/44), „Glück muss man haben“ (1944/1950), Regie Theo Lingen, „Der Erbförster“ (1943/1944) und „Ruf an das Gewissen“ (1944/45).

All diese Filme, an denen Friedel Towae mitwirkte, folgten nationalsozialistischen Vorgaben in Inhalt und Ausstattung und fanden ein zahlreiches Publikum. Sie arbeitete mit namhaften, bis heute hochgeschätzten Regisseuren und Schauspielern zusammen.

Der geplatzte Traum

Ein Vertrag auf Lebenszeit war bereits unterzeichnet, als die Tobis-Ateliers, seit 1942 Teil der UFA-Film GmbH, den politischen Folgen des Krieges zum Opfer fielen. Ende April 1945 wurden die UFA-Filmateliers in Berlin-Tempelhof und Potsdam-Babelsberg von Einheiten der Roten Armee besetzt. Das reichseigene Filmvermögen der UFA wurde beschlagnahmt, sämtliche Filmproduktionen der sowjetischen Zensur unterzogen. Die Babelsberger Ateliers wurden der am 17. Mai 1946 gegründeten DEFA angegliedert.

Mit der Teilung Deutschlands wurde recht schnell deutlich, dass die Hoffnung auf eine wieder freie Filmproduktion durch eine sowjetisch- kommunistische Führung unrealistisch sein würde. Diese war zwar an einem raschen Wiederaufbau der Filmindustrie interessiert, Drehbücher unterlagen jetzt jedoch ihrer strengen Zensur. Dies hatte zur Folge, dass kaum Skripte eingereicht wurden und die Filmproduktion stagnierte. Das filmpolitische Ziel der Westalliierten lag hingegen weniger in der Reorganisation einer deutschen Filmwirtschaft als in dem Interesse, die eigene Filmproduktion hier zu etablieren, so dass der Wiederaufbau der Filmindustrie in der Bundesrepublik ebenfalls nur recht zögerlich von statten ging.

Damit war Friedels Traum vom Film endgültig zerplatzt. Weder im westlichen Teil Berlins und erst recht nicht im kommunistischen Teil Deutschlands sah sie für sich und ihre inzwischen gegründete Familie eine Zukunft.

Am 9. August 1939 hatte sie in Berlin-Zehlendorf den über zwanzig Jahre älteren promovierten Staatswissenschaftler, Autor und Filmproduzenten Dr. Friedrich Bernhard Nier geheiratet, den sie bei der UFA kennengelernt hatte. Laut Aussage des Sohnes heiratete sie ihren Vorgesetzten. In der Heiratsurkunde hat sie ihren Beruf mit Schauspielerin angegeben, was ihre diesbezüglichen Ambitionen unterstreicht. Sie war zu dieser Zeit noch in Oldenburg gemeldet.

Am 1. Februar 1943 kam ihr Sohn Eugen in Potsdam-Babelsberg zur Welt. Wie dieser berichtete, war seine Mutter eine lebenslustige, gutaussehende junge Frau, die durchaus wusste und gerne akzeptierte, wie das Filmgeschäft funktionierte. Sie sei selten einer Liaison abgeneigt gewesen. Und er sei nicht der leibliche Sohn seines offiziellen Vaters. (Dies sei der Pariser Bühnenbildner und Modezeichner Jacques Edme du Mont, den seine Mutter während der Produktion des Rembrandt-Filmes kennengelernt habe, wo er als Berater agierte.)

Zurück nach Saarbrücken

Aufgrund der politischen Situation kehrte Friedel Towae, die ihren Mädchennamen zeitlebens beibehielt, obwohl sie seit der Heirat offiziell Nier hieß, mit Ehemann und Sohn im Februar 1948 schließlich nach Saarbrücken zurück, in das Haus ihrer Eltern.

Ihr Mann arbeite bei einem der beiden Saarländischen Filmverleihe, so der Sohn. Im Jahr 1954 erlitt er einen Schlaganfall und wurde in der Folge im St. Nikolaus-Hospital in Wallerfangen versorgt. Er starb dort am 28. Dezember 1957.

Sie selbst hatte bei einem Besuch in Saarbrücken den Schauspieler und Regisseur Hans Klüfer getroffen, der in der Warndtstraße 11, heute Hohenzollernstraße, im Haus der Arbeiterwohlfahrt, ein kleines Theater, die „Komödie“, leitete. Er bot ihr die Möglichkeit, für seine Aufführungen die Bühnenbilder zu gestalten. Das Theater war und blieb weiterhin ihre Welt. Ihr ordnete sie alles andere unter.

Theater, Theater

In der Spielzeit 1949/1950, ein Jahr nach der feierlichen Wiederöffnung am 3. März 1948, in Anwesenheit des Hohen Kommissars Gilbert Grandval und des saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann, bekam Friedel ein festes Engagement als Kostümbildnerin am Saarbrücker Stadttheater, dem heutigen Staatstheater. Hier entwarf sie bis zu ihrem Renteneintritt 1974 und danach noch mindestens weitere vier Jahre bis zur Spielzeit 1977/78 Kostüme und vereinzelt sogar Bühnenbilder. Zusammen oder abwechselnd mit Heinz Dahm, der vermutlich gleichzeitig mit ihr an der Reimann-Schule studierte.

Laut ihrem Sohn soll sie zudem zeitweise an ausländischen Schauspielhäusern Engagements angenommen haben, so beispielsweise 1953 in Paris und 1966 in Zürich. Bei dem Pariser „Engagement“ handelte es sich mit Sicherheit um die Inszenierungen von „Arabella“ und „Per Gynt“, für die sie die Kostüme entwerfen durfte. Diese Saarbrücker Gastspiele fanden im Rahmen des 1948 abgeschlossenen Kulturabkommens zwischen dem Saarland und Frankreich im Pariser Théâtre des Champs-Élysées statt. Mit der österreichischen Opernsängerin Leonie Rysanek in den Titelpartien avancierte der saarländische Gastauftritt in Paris zu einem künstlerischen Höhepunkt in der bisherigen Geschichte des Saarbrücker Theaters.

Wie eingangs erwähnt, schuf Friedel Towae Kostüme für 200 Aufführungen: Opern, Operetten und Schauspiele. Ihr besonderes Geschick lag darin, die „Problemzonen“ der Schauspieler und Schauspielerinnen zu erkennen und durch ihre Kostümgestaltung zu kaschieren. So erschien die nicht ganz schlanke, als „voluminös“ bezeichnete später weltberühmte amerikanische Sopranistin Nancy Tatum in ihrer ersten Rolle in Saarbrücken (1963/64-1965 in Saarbrücken) als Santuzza (Hauptrolle des jungen Bauernmädchens in der Oper Cavalleria Rusticana von Pietro Mascagni) nahezu rank und schlank.

„Ähnlich verwandelte sie die Sängerin Jeanne Fraenkel, die einen schweren Verkehrsunfall erlitten hatte. Als Venus in der Oper „Thannhäuser“ wurde sie von Friedel Towae in rötlich-purpur schimmernde Schleiergewänder gehüllt, die es mit Hilfe von bestimmten Beleuchtungseffekten – auch sie waren das Werk der Kostümbildnerin – der Sängerin ermöglichten, sich zu erheben, ohne dass man ihre Behinderung bemerkte,“ weiß die Saarbrücker Zeitung am 11. August 1978 zu berichten.

„Das schönste ist, auf Theaterproben zuzusehen, wie sich ein Schauspieler in eine Rolle einlebt. Erst dann zeichne ich die Figurinen und Kostüme, denn sie müssen den Bewegungen des Schauspielers angemessen sein“, meinte sie in besagtem Interview.

Ausstellung im Foyer des Theaters

Aus Anlass ihres 65. Geburtstages ehrte das Theater seine langjährige Kostümbildnerin mit einer Ausstellung ihrer Figurinen und Aquarelle. Neben dem Zeichnen war die Aquarellmalerei eine von Friedels Leidenschaften, der sie sich in ihrer knapp bemessenen Freizeit widmete. Während wir uns von ihren Figurinen ein (wenn auch bescheidenes) Bild machen können, da diese in etlichen Theaterprogrammen abgebildet wurden (wenn auch nur in schwarz-weiß), und auch das Stadtarchiv nun drei ihrer Figurinen besitzt, bleibt die Kunstfertigkeit ihrer Aquarelle bisher noch im Verborgenen.

Friedel Towae verkaufte die meisten ihrer Zeichnungen und Aquarelle, vor allem seit sie in Rente war, um ihr Einkommen etwas aufzubessern. Mit Stolz, so berichtete Friedel der Saarbrücker Zeitung, pflegte beispielsweise Nancy Tatum, die wieder in New York lebende Sopranistin, ihren Besuchern ihre Figurinen zu zeigen, die die Wände eines ganzen Raumes in ihrem Haus geziert haben sollen. Das renommierte Saarbrücker Auktionshaus Peretz bot in seiner 91. Auktion im Jahr 1980 insgesamt 16 ihrer Figurinen an. Auch ihr Sohn verkaufte nach dem Tod seiner Mutter noch vorhandene Figurinen. So erwarb Manfred Hahn von ihm vor rund 25 Jahren drei ihrer Figurinen, die er nun dem Stadtarchiv schenkte.

Forbach bei Nacht

Im Zuge dieser Recherche gelang es lediglich ein einziges ihrer zahlreichen Aquarelle, heute Teil der Landeskunstsammlung, ausfindig zu machen: eine Ansicht auf Forbach bei Nacht, bei Vollmond, im Nebel. Dieser nächtliche Blick auf die Hügel des französischen Nachbarortes spiegelt ihr Können und fordert eine weitere Recherche nach ihren Werken geradezu heraus.

Friedel Towae starb am 19. Dezember 1998 im Alter von 85 Jahren im Evangelischen Krankenhaus in Saarbrücken.  Die letzten zehn Jahre ihres Lebens hatte sie in einem Altersheim in Kleinblittersdorf/Auersmacher verbracht. (RB)

Literaturhinweise

Swantje Kuhfuss-Wickenheiser, Die Reimann-Schulen in Berlin und London 1902-1943. Ein jüdisches Unternehmen zur Kunst- und Designausbildung internationaler Prägung bis zur Vernichtung durch das Hitlerregime, Aachen 2009.

Günter Scharwath, Das große Künstlerlexikon der Saar-Region, Saarbrücken 2017.

Gudrun Müller, Frauen vor Ort, Auf Spurensuche in den saarländischen Landkreisen, Schriftenreihe der Arbeitskammer des Saarlandes zur Arbeits- und Sozialgeschichte, Band 4, St. Ingbert 2024.