Bericht I: Nanteser Studierende zur Corona-Lage

Die Junge Botschafterin aus Nantes, Charlotte Chicoine, spricht mit Studierenden ihrer Heimatstadt darüber, wie sie die aktuelle Situation erleben.

Ich wünsche daher allen viel Mut und Ausdauer in dieser herausfordernden Zeit! Charlotte Chicoine

Unsere Partnerstadt Saarbrücken und der Rest Deutschlands lockerten kurz vor uns die Maßnahmen zur Eindämmung des COVID-19.  In Nantes – meiner Heimatstadt, in die ich vor zwei Monaten zurückgehrt bin – sind wir nun seit dem 11. Mai 2020 nicht länger durch die strengen Ausgangsbeschränkungen an unser zu Hause gebunden.

Das Leben geht also weiter, auch wenn es sich um eine spezielle Situation handelt. Besonders habe ich mich gefragt, wie Studierende diese Situation erleben; dazu habe ich den BDE (Studierendenverband) der Sprachuniversität, an der ich in den vergangenen Jahren studiert habe, sowie einige Freunde aus Nantes, befragt.

Stellt man sich Studierende in der aktuellen Situation vor, so denkt man in erster Linie an die Prüfungsphasen, an die Wettbewerbsprüfungen für die renommierten Grandes Écoles oder an abgesagte und verschobene Aufnahmeprüfungen. Doch die Coronakrise bringt viele andere Konsequenzen für die Studierenden mit sich.

Saarbrückens Partnerstadt Nantes im April 2020 - Charlotte Chicoine / LHS

Saarbrückens Partnerstadt Nantes im April 2020 - Charlotte Chicoine / LHS

Saarbrückens Partnerstadt Nantes im April 2020 - Charlotte Chicoine / LHS

Tatsächlich beinhaltet nicht jedes Studium Jahresabschlussprüfungen – an französischen Universitäten auch „partiels“ genannt. Viele werden, ähnlich wie in Deutschland, kontinuierlich benotet. Für diese Studierenden wurden die fortlaufenden Prüfungen durch Referate ersetzt, die einzeln oder in Gruppen eingereicht werden können.

„Wir haben zu viele zeitintensive Gruppenarbeiten, sodass wir zahlreiche Skype-Termine machen müssen, weil wir uns nicht sehen können“, sagt Morgane, die sich überfordert fühlt. Nichtsdestotrotz muss sie auch zugeben, dass diese ganz besondere Situation neue Formen der Solidarität hervorgebracht hat: „Wir haben uns über GoogleDrive eine kollaborative Planung geschaffen.“

Darüber hinaus sind Gruppengespräche via Facebook oder WhatsApp in dieser Situation besonders nützlich, um sich Übungen zu erklären oder sich über die bestehenden Ängste auszutauschen (und einander das eigene Leid zu klagen).  Es sei eben sehr wichtig, sich gegenseitig zu beruhigen. So wie es das zu normalen Zeiten auch immer ein bisschen gibt.

Saarbrückens Partnerstadt Nantes im April 2020 - Charlotte Chicoine / LHS

Saarbrückens Partnerstadt Nantes im April 2020 - Charlotte Chicoine / LHS

Saarbrückens Partnerstadt Nantes im April 2020 - Charlotte Chicoine / LHS

Was die Begleitung durch die Dozentinnen und Dozenten betrifft, so hängt dies natürlich vom jeweiligen Fach ab. Charline aber berichtet aus ihrem Kurs: „Die die Betreuung war wirklich tadellos, alles wurde in voller Transparenz und mit viel Wohlwollen gestaltet. Unsere Master-Tutorin ist wirklich für uns da und tauscht sich jede Woche mit uns aus, um sicherzugehen, dass es allen gut geht und niemand durch die Situation überlastet oder überfordert ist.“

Es ist auch wichtig, zu erwähnen, dass die Versetzung ins nächste Studienjahr (ja – so läuft das in Frankreich) nicht nur Prüfungen beinhaltet. In der Tat setzen viele Studiengänge ein Praktikum voraus, um das Jahr zu bestehen. Ein Lösungsansatz bei gepatzten Praktika ist es, diese durch eine schriftliche Arbeit zu ersetzen.

Doch auch über die Versetzung ins Folgejahr hinaus, wirft dies Probleme auf: „Durch den Coronavirus habe ich mein Praktikum verloren. Ich werde meinen dualen Bachelorabschluss erhalten, ohne vorher Berufserfahrung gesammelt zu haben. Ich kann also nicht (direkt) arbeiten“, berichtet Eva, die im 6. Semester eines dualen Studiums ist.

Lesende Studierende mit Maske - Engin Akyurt Pixabay

Lesende Studierende mit Maske - Engin Akyurt Pixabay

Lesende Studierende mit Maske - Engin Akyurt Pixabay

Einige Studierende suchen noch immer nach einem Praktikumsplatz für die nächsten Monate. Eine Suche, die durch die Ungewissheit noch schwieriger wird, als sonst: „Die Angebote könnten durch die zukünftige Wirtschaftskrise sogar noch rarer werden", meint die Wirtschaftsstudentin Blandine.

Neben der Suche nach einem Praktikumsplatz, sollte Blandine für ihr zweites Semester nach Deutschland gehen, um im Rahmen des Erasmus-Programms an der Universität Köln zu studieren: „Also hatte ich mir dort bereits eine Wohnung gesucht – und begann die Miete zu zahlen. Und natürlich zahlte ich auch schon den Semesterbeitrag für die Kölner Uni. Leider wurden durch die Ausgangsbeschränkungen die Grenzen geschlossen und die Züge gestrichen, sodass ich zu Hause bleiben musste.

„Heute dreht sich bei meiner Erasmus-Erfahrung alles um die Teilnahme an Onlinekursen in Deutschland von  Frankreich aus“, berichtet Blandine. Sie sagt, sie sei enttäuscht und etwas ängstlich, aber ihr gehe es noch relativ gut, wenn sie die eigene Situation mit jener ihrer Kommilitoninnen und Kommilitonen vergleiche, die ihre Auslandsaufenthalte bereits begonnen hatten und den Stress von Heimholaktionen hatten ertragen müssen.

Saarbrückens Partnerstadt Nantes im April 2020 - Charlotte Chicoine / LHS

Saarbrückens Partnerstadt Nantes im April 2020 - Charlotte Chicoine / LHS

Saarbrückens Partnerstadt Nantes im April 2020 - Charlotte Chicoine / LHS

Zudem bleiben die Studierenden trotz Fernvorlesungen über verschiedene Plattformen wie –Zoom, Skype oder Discord – von einem Teil des Studierendenlebens abgeschnitten, den zum Beispiel die Studierendenverbände darstellen. Die BDEs versuchen weiterhin, den Studierenden zu helfen, sei es durch die Weitergabe bestimmter Informationen, auf Anfrage (oder auch nicht) der Verwaltung oder durch die Unterhaltung der Studierenden.

„Wir wollten die Studierenden auch in dieser Zeit begleiten, indem wir Spiele, Rätsel, Q&A und so was auf Facebook posten, um den Studierenden zu helfen, trotz dieser Situation in guter Stimmung zu bleiben", sagt die BULE, der Studierendenverband der Sprachuniversität von Nantes. Für die Rekrutierung im nächsten Jahr musste sich Le BULE ebenfalls anpassen: „Um die Kontinuität unserer Vereinigung zu gewährleisten, wurden Videokonferenzen eingerichtet und Interviews aus der Ferne durchgeführt. Wir posten auch Plakate der Rekrutierungskampagnen in unseren sozialen Netzwerken.“

So kann man viele Alltagsrealität aus der Distanz reproduzieren – aber leider nicht alles – und es ist eine interessante Herausforderung, sich neu erfinden zu müssen. Jedoch ist es offensichtlich, dass alle Studierenden, Studierendenverbände, Professorinnen und Professoren, aber auch die Verwaltung, auf diese Umwege gern verzichtet hätten... Ich wünsche daher allen viel Mut und Ausdauer in dieser herausfordernden Zeit!

Charlotte