Haushalt 2026: Trotz Finanzkrise sichert Saarbrücken Zukunft
Der Saarbrücker Stadtrat berät am Dienstag, 2. Dezember, den Haushalt 2026 mit einem Gesamtvolumen von 706,9 Millionen Euro. Während Kommunen bundesweit unter der schwersten Finanzkrise der jüngeren Geschichte leiden, steht auch Saarbrücken vor strukturellen Belastungen historischen Ausmaßes.
Trotz dieser dramatischen Lage setzt die Landeshauptstadt in ihrem Haushaltsplan bewusst klare Prioritäten und investiert in Zukunft – in Bildung, Stadtentwicklung, Klimaschutz, Infrastruktur, Kultur und Zusammenhalt.
2024 betrug das kommunale Gesamtdefizit bundesweit 24,8 Milliarden Euro, und für 2025 wird ein noch höheres Minus erwartet. Die Ursachen der massiven Haushaltsbelastungen sind vielfältig und größtenteils durch gesetzliche Vorgaben bestimmt, auf die die Stadt keinen Einfluss hat. Dazu gehören für Saarbrücken insbesondere:
Explodierende Sozialausgaben über die Regionalverbandsumlage
- 2026: 230,5 Millionen Euro (+15 Prozent)
- Zuwachs seit 2022: +68 Millionen Euro (+41 Prozent)
Historische Tarifsteigerungen steigern Personalaufwand
- 2026: 196,7 Millionen Euro
- Zuwachs seit 2022: +48 Millionen Euro (+32 Prozent), allein tarifbedingt +22 Millionen Euro
Klinikum Saarbrücken – jährlicher Defizitausgleich zwingend
- 2026: 15,4 Millionen Euro
- insgesamt seit 2020: rund 60 Millionen Euro
Erträge reichen nicht aus
- Defizit im Ergebnishaushalt: 75,5 Millionen Euro
- ohne Grundsteueranpassung: 87,7 Millionen Euro
Schlüsselzuweisungen decken Bedarf nicht
- 2026: 121,5 Millionen Euro (+0,5 Prozent)
- Lücke zur Regionalverbandsumlage: 109 Millionen Euro
Neuverschuldung steigt
- 2026: 68 Millionen Euro
- ohne Grundsteueranpassung: 80,3 Millionen Euro
- Kassenkreditbedarf bis 2029: 318 bzw. 367 Millionen Euro
Damit zeigt sich deutlich: Die kommunale Unterfinanzierung ist strukturell – und sie gefährdet die Handlungsfähigkeit der Landeshauptstadt.
Trotz Finanzdruck: Saarbrücken investiert in Zukunft
Trotz dieser dramatischen Lage setzt die Landeshauptstadt bewusst klare Prioritäten.
Oberbürgermeister Uwe Conradt: „Saarbrücken bleibt eine Stadt, die gestaltet. Trotz schwieriger Haushaltslage investieren wir in das, was unsere Zukunft sichert: Bildung, Stadtentwicklung, Klimaschutz, Infrastruktur, Kultur und Zusammenhalt. Nur so bleiben wir handlungsfähig und attraktiv.“
In die Zukunft investieren: klarer Schwerpunkt im Bereich Bildung und Betreuung
Die Landeshauptstadt schafft unter anderem mit folgenden Projekten moderne Lernbedingungen, mehr Betreuungsplätze und stärkt die Bildungsinfrastruktur der Stadt:
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Bildungscampus West
Der Campus ist das größte Bildungsprojekt der Stadt und schafft Raum für rund 1.000 Schülerinnen und Schüler. Bis 2029 beträgt der Finanzierungsbedarf 23,4 Millionen Euro.
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Kita Preußenstraße
Der Neubau erweitert das frühkindliche Betreuungsangebot in einem wachsenden Stadtteil. Der Bau hat Gesamtkosten von 8,2 Millionen Euro.
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Grundschule Güdingen
Die Generalsanierung verbessert die Lernbedingungen und schafft moderne Räume für Kinder und Lehrkräfte. Sie hat Gesamtkosten von 11,2 Millionen Euro.
Wirtschaftsstandort stärken: Erfolge weiter ausbauen
Unter anderem folgende Maßnahmen sichern Wettbewerbsfähigkeit, Sichtbarkeit und wirtschaftliche Stabilität:
- Convention Bureau
Das neue Büro stärkt Saarbrücken als Kongress- und Tagungsstandort. Mit dem Haushalt 2026 werden 50.000 Euro eingestellt.
- Expo Real
Durch die Messepräsenz werden Investorenkontakte vertieft und Standortchancen erhöht. Auch hierfür werden 50.000 Euro vorgesehen.
- Stabiler Gewerbesteuerhebesatz
Die Stabilität sendet ein wichtiges Signal an Unternehmen und sorgt für Planungssicherheit.
Zuwanderung als wirtschaftliche und gesellschaftliche Chance sehen
Zuwanderung stabilisiert den Arbeitsmarkt und stärkt die Vielfalt der Stadt.
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Haus des Ankommens
Die zentrale Anlaufstelle unterstützt Neuankommende erfolgreich beim Start in Saarbrücken. Als städtischer Beitrag für die Weiterführung werden 150.000 Euro eingeplant.
Kultur ist Standortfaktor: Angebot wird aufrechterhalten
Kultur schafft Lebensqualität, Attraktivität und Identität, unter anderem sichert der Haushalt folgende Angebote ab:
- Filmhaus
Mit einem Zuschuss von rund 550.000 Euro wird der Betrieb eines wichtigen Film- und Kulturstandorts gesichert.
- Kulturelle Einrichtungen & Großveranstaltungen
Mit knapp 6 Millionen Euro wird das breite kulturelle Angebot trotz steigender Kosten aufrechterhalten.
An Großprojekten festhalten: Superbrücken sowie Aufwertung der Alten Brücke
Diese Projekte prägen den städtebaulichen Wandel und schaffen neue Räume für Mobilität, Kultur und Begegnung:
- Superbrücken/CCC
Das Projekt wird ein neuer kultureller und architektonischer Ankerpunkt für Saarbrücken. Der städtische Anteil für das Gesamtprojekt beträgt rund 30,4 Millionen Euro.
- Aufwertung Alte Brücke
Die historische Brücke wird zu einem attraktiven Aufenthalts- und Erlebnisraum modernisiert. Der städtische Anteil beträgt rund 8,3 Millionen Euro.
Zusammenhalt nicht gefährden: Soziale Leistungen werden verstetigt
Soziale Stabilität bleibt trotz Finanzdruck gewährleistet, unter anderem durch Förderung der:
- Gemeinwesenarbeit
Mit rund 3 Millionen Euro wird die Beratung, Begegnung und Prävention in allen Stadtteilen gestärkt.
Global denken – und lokal nachhaltig handeln
Klimaschutz bleibt ein Kernanliegen für die Zukunftssicherung, die Stadt treibt u.a. voran:
- Kommunale Wärmeplanung & Klimaschutzkonzept
Zentrale strategische Grundlage für eine klimaneutrale Stadtentwicklung.
- Private Begrünungsmaßnahmen
Mit 50.000 Euro wird klimaresiliente Begrünung im privaten Raum gefördert.
- Natürlicher Klimaschutz („In der Itsch“) & klimaangepasster Stadtumbau
Verbessern Klimaresilienz, Biodiversität und Aufenthaltsqualität.
Die Landeshauptstadt vertritt die Auffassung, dass Klimaschutz und Klimawandelanpassung faktische Pflichtaufgaben sind, die künftig auch von Bund und Land finanziert werden.
Stärkung des Katastrophenschutzes: Resilienz in Krisenzeiten ausbauen
Die Stadt bereitet sich aktiv auf Extremwetter und Krisen vor, Beispiele sind:
- Neue Feuerwehrgeräte und -fahrzeuge
Moderne Technik erhöht Schutz und Einsatzfähigkeit.
- Schutzkleidungskonzept – 840.000 Euro bis 2029
Mehr Sicherheit für Einsatzkräfte durch neue Ausstattung.
Sicherstellung der Gesundheitsversorgung: Tun, was andere unterlassen
Die Stadt garantiert medizinische Versorgung, obwohl Bund und Land in der Pflicht wären:
- Klinikum Saarbrücken
Mit 15,4 Millionen Euro werden der Betrieb und die medizinische Versorgung gesichert.
Weitere Einordnung der Finanzlage und Reformbedarf
Gelockerte Vorgaben des Landes halten den Haushalt formal (noch) genehmigungsfähig. Der Haushalt 2026 kann nur deshalb noch genehmigt werden, weil das Saarland den üblichen Haushaltsausgleich bis 2065 ausgesetzt hat. Stattdessen gelten die Regeln des Saarlandpakts.
Dieser verlangt einen strukturell zahlungsbezogen ausgeglichenen Haushalt – allerdings nur unter Annahme einer Modellentwicklung. So wird etwa ein zweiprozentiger Anstieg der Regionalverbandsumlage unterstellt; tatsächlich steigt sie jedoch um 15 Prozent.
Zudem müssen Kassenkredite über 45 Jahre nach Annuität getilgt werden. Saarbrücken hat ab 2020 überproportional getilgt und profitiert heute noch von dieser vorausschauenden Haushaltspolitik. Dadurch ist der Haushalt 2026 trotz Defizit und Kassenkreditaufnahme von 50,8 beziehungsweise 63 Millionen Euro noch genehmigungsfähig.
Doch spätestens 2027 ist dieser Puffer aufgebraucht. Dann entsteht erstmals ein zahlungsbezogener Fehlbetrag. Ab 2028 entsteht aus heutiger Sicht sogar ein struktureller Fehlbetrag, der die Nicht-Genehmigungsfähigkeit zur Folge hat.
Ohne Grundsteueranpassung läge dieser Fehlbetrag bei 23,1 Millionen Euro.
Zur Sicherstellung der Handlungsfähigkeit: Konsolidierung notwendig
2022 legte die Verwaltung ein umfassendes Konsolidierungskonzept vor. Teile wurden umgesetzt und beschlossen, zentrale Bausteine – insbesondere die Grundsteueranpassung – jedoch abgelehnt.
Mit der vorgesehenen Anpassung läge die durchschnittliche Grundsteuerbelastung eines Wohnobjekts bei 589 Euro pro Jahr, vergleichbar mit Hannover oder Bielefeld. Gewerbebetriebe wären im Schnitt trotz Anpassung weiter auf dem Niveau von vor der Grundsteuerreform belastet.
Bürgermeisterin Barbara Meyer: „Wir haben bereits 2022 ein wirkungsvolles Konsolidierungskonzept vorgelegt. Die Finanzlage hat sich seither weiter verschärft. Ein weiteres Zuwarten würde die Probleme nur vergrößern.“
Bereits umgesetzt wurden zusätzliche Maßnahmen im Umfang von 1,1 Millionen Euro.
Für 2026 plant die Stadt eine pauschale Einsparvorgabe von 5 Prozent der Amtsbudgets (exklusive Zentral- und Zuschussbudgets). Ein Konsolidierungsbeirat soll künftig Maßnahmen prüfen und priorisieren.
8-Punkte-Appell an Bund und Länder
OB Uwe Conradt und Bürgermeisterin Barbara Meyer appellieren an Bund und Länder:
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Es braucht eine schnelle Lösung für die kommunale Finanzkrise. Bund und Länder müssen kurzfristige Lösungen ergreifen, statt auf Ergebnisse diverser Expertenkommissionen zu verweisen.
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Grundsatzfragen zur Finanzarchitektur und zur Finanzierung von Sozialausgaben und Sozialstandards, die absehbar keine schnellen Antworten erwarten lassen, können und sollen im Nachgang beantwortet werden.
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Kommunen brauchen eine angemessene Finanzausstattung, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Hierfür ist verfassungsrechtlich das Land verantwortlich. Solange sich die Reform des kommunalen Finanzausgleichs hinzieht, muss das Land für 2026 eine Übergangslösung schaffen.
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Immer ausgeweitete Verschuldungsmöglichkeiten für die kommunale Ebene sind keine nachhaltige Lösung – insbesondere nicht für bereits hoch verschuldete Kommunen. Sonst wird sich die Schuldenspirale immer weiterdrehen und die saarländischen Kommunen werden immer mehr abgehängt.
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Bund und Land müssen bezahlen, was sie bestellen – ohne Wenn und Aber. Das beinhaltet insbesondere geschaffene Rechtsansprüche auf Kita- und Ganztagsschulangebote. Und es gilt auch für Steuerentlastungen, die der Bund beschließt und die zu Mindereinnahmen bei Kommunen führen.
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Klimaschutz- und Klimawandelanpassung sind faktische Pflichtaufgaben. Der Bund und die Länder müssen eine Finanzierung über eine neue Gemeinschaftsaufgabe sicherstellen.
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Der Bund und das Land müssen endlich ihrer gesetzlichen Verpflichtung im Rahmen der Krankenhausfinanzierung nachkommen. Es kann nicht sein, dass Kommunen mit Mitteln aus dem städtischen Haushalt die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung garantieren müssen.
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Bei alldem darf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse nicht vergessen werden. Auch wenn die kommunale Finanzkrise alle trifft, die Not bei finanzschwachen Kommunen ist am größten. Die überfällige Übernahme kommunaler Altschulden durch den Bund ist dabei nicht nur ein Gebot der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, sondern auch zwingende Folge der bisherigen Verletzung des Konnexitätsprinzips, was in kommunalen Altschulden mündete.