Donnerstag, 26. Juni 2025

Siegerentwurf für geplanten Gedenkort in der Faßstraße steht fest

Der Siegerentwurf für den geplanten Gedenkort zur Erinnerung an die Verfolgung queeren Lebens in der Faßstraße steht fest: Am Mittwoch, 25. Juni, hat sich die Jury in ihrer finalen Sitzung für den Entwurf „Saarbrückens Goldener Kitt“ der Landschaftsarchitektin und Künstlerin Julia Treichel aus München entschieden.

Saarbrückens Goldener Kitt - Visualisierung des Gedenkortes in der Faßstraße - Julia Treichel

Saarbrückens Goldener Kitt - Visualisierung des Gedenkortes in der Faßstraße - Julia Treichel

Saarbrückens Goldener Kitt - Visualisierung des Gedenkortes in der Faßstraße - Julia Treichel

„Der Entwurf integriert bewusst den bestehenden städtebaulichen Kontext und greift dabei auf ortsspezifische Elemente zurück, wie die markante Pflastergestaltung des Künstlers Paul Schneider und die prägnanten, sich im Herbst goldfärbenden Gingko-biloba-Bäume“, sagt Julia Treichel. Aus diesem Pflaster werden einzelne Steine entnommen, so dass ein Riss entsteht, der sinnbildlich für die erlittene Diskriminierung steht und nach dem Prinzip der traditionellen japanischen Reparaturmethode Kintsugi mit einer goldfarbenen Masse gefüllt wird.

„Der neue Erinnerungs- und Gedenkort soll eine Ermutigung zur Zivilcourage in der Gegenwart sein, um gegen Unrecht und Diskriminierung aufzustehen und sich für eine offene Gesellschaft einzusetzen." OB Conradt

Oberbürgermeister Uwe Conradt: „Der neue Erinnerungs- und Gedenkort soll eine Ermutigung zur Zivilcourage in der Gegenwart sein, um gegen Unrecht und Diskriminierung aufzustehen und sich für eine offene Gesellschaft einzusetzen, die Menschenrechte bewahrt. Überall dort, wo Menschen miteinander in Kontakt kommen und sich austauschen, gibt es die Chance, die eigene Perspektive zu verändern und Vorurteile abzubauen.“

Die Dezernentin für Bildung, Kultur und Jugend, Dr. Sabine Dengel: „Es war unser Ziel, eine adäquate künstlerische Lösung zu finden, die sich inhaltlich mit der Erinnerung an die Opfer der Verfolgung queeren Lebens im Saarland von 1935 bis 1994 auseinandersetzt und dem Gedenken an die Opfer menschenverachtender Diskriminierung und Verfolgung Raum geben soll. Dabei war es uns gleichzeitig sehr wichtig, einen positiven Ort im städtischen Raum zu schaffen, der von den Menschen in Saarbrücken angenommen und belebt wird.“

Interessierte können sich von Donnerstag, 26. Juni, bis Donnerstag, 10. Juli, jeweils montags bis freitags von 8 bis 18 Uhr den von der Jury ausgewählten Siegerentwurf sowie acht weitere künstlerische Arbeiten aus der engeren Auswahl des Kunstwettbewerbs im Hauberrisser Saal im Rathaus St. Johann anschauen.

Ablauf des Wettbewerbs zur Kunst im öffentlichen Raum

Im November 2024 hatte das Kulturamt der Landeshauptstadt Saarbrücken in Zusammenarbeit mit dem Institut für aktuelle Kunst im Saarland einen zweistufigen, offenen und anonymen Wettbewerb zur Kunst im öffentlichen Raum ausgelobt. Zuvor hatte die Kunstkommission der Landeshauptstadt, deren Mitglieder ehrenamtlich tätig sind, das Dezernat für Bildung, Kultur und Jugend zur Gestaltung des Wettbewerbs intensiv beraten.

Die öffentliche Ausschreibung des Wettbewerbs stieß auf große Resonanz, so dass die Jury unter Vorsitz von Professorin Dr. Mirjam Zadoff, Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München, im März dieses Jahres in einer ersten Sitzung aus 80 eingereichten Arbeiten die Entwürfe auswählen konnte, die in die Endrunde kommen sollten. Die finale Jurysitzung fand dann am Mittwoch, 25. Juni, statt.

Die Realisierung des Siegerentwurfs wird in einem weiteren Schritt dem Stadtrat der Landeshauptstadt Saarbrücken zur Entscheidung vorgelegt.

„Es war unser Ziel, eine adäquate künstlerische Lösung zu finden, die sich inhaltlich mit der Erinnerung an die Opfer der Verfolgung queeren Lebens im Saarland von 1935 bis 1994 auseinandersetzt." Dr. Sabine Dengel, Dezernentin für Bildung, Kultur und Jugend

Stadtratsbeschluss als Grundlage – Aspekte der Standortauswahl

Der Stadtrat beschloss bereits 2019, dass ein künstlerisch gestalteter Ort der Erinnerung an die Opfer der Homosexuellenverfolgung geschaffen werden soll. Aus diesem Beschluss hat sich die Planung für den neuen Gedenkort stetig weiterentwickelt.

Als Standort für den neuen Ort der Erinnerung wurde eine Fläche in der Faßstraße ausgewiesen, nahe der Obertorstraße und am Übergang zur Mainzer Straße. Er wurde zum einen wegen der Nähe zu ehemaligen Szenelokalen ausgewählt, zum anderen, weil sich dort traditionell der Endpunkt der Parade zum Christopher Street Day befindet.

Im Gebäude Mainzer Straße 4 betrieb Margarete Bardo von 1961 bis 1991 das Lokal „Madame“, wo sie lesbischen und schwulen Menschen, Trans*- und Inter*-Personen sowie deren Community einen wichtigen Treffpunkt bot. In der Obertorstraße 10 befand sich außerdem bis Ende 2022 das Szenelokal „History“.

"‚Saarbrückens Goldener Kitt‘ ist ein Entwurf, der sich dem Betrachter sehr schnell erschließt und zugleich Interpretationsraum eröffnet." Aus der Jury-Begründung

Regenbogenbank in der Nähe des neuen Gedenkorts

2019 entwickelte der Lesben- und Schwulenverband+ (LSVD+) Saar zeitgleich zu dem Beschluss zur Errichtung eines Gedenkorts die Idee, im öffentlichen Raum ein lebendiges Zeichen für die heutige queere Bewegung zu setzen. Daraufhin ließ das Kulturamt der Landeshauptstadt im Herbst 2023 eine Regenbogenbank in Form einer Rundbank in der Obertorstraße errichten.

Die Regenbogenbank ist ein eigenständiges Projekt, das jedoch mit dem geplanten Gedenkort in der Faßstraße in Zusammenhang gebracht werden kann. So soll ein Ensemble entstehen, das Menschen mit den unterschiedlichsten sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten in ihrer Würde und ihrer Identität stärkt.

Historischer Hintergrund

123 Jahre lang wurden Homosexuelle in Deutschland aufgrund des Paragrafen 175 Strafgesetzbuch wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgt. Dieser Paragraf richtete sich ab der Zeit des Kaiserreichs bis 1969 ausschließlich gegen männliche Homosexualität. Da Begriffe wie „Homosexuelle“, „Schwule“ oder „Lesben“ aus heutiger Perspektive oft als zu eng gefasst und ausschließend wahrgenommen werden, wurde später zusätzlich die Bezeichnung „queere Menschen“ eingeführt.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Die Erkenntnisse, die der Ausschreibung des Kunstwettbewerbs zugrunde liegen, lassen sich aus einem aktuellen Forschungsprojekt gewinnen. Dessen Ziel ist es, die Lebenssituation queerer Menschen auf dem Gebiet des heutigen Saarlandes im Zeitraum zwischen 1935 und 1994 zu untersuchen.

Impuls für das Projekt war ein runder Tisch des Stadtarchivs der Landeshauptstadt Saarbrücken beziehungsweise der „Arbeitsgemeinschaft Homosexualitäten“, außerdem ein Workshop, den das Stadtarchiv ausgerichtet hat. Finanziert wurde das Projekt durch den Landtag des Saarlandes und die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld.

Kooperationspartnerinnen und -partner des Projekts waren Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft Homosexualitäten“, darunter das Stadtarchiv, das frühere Landesinstitut für Pädagogik und Medien (LPM), der LSVD+ Saar, die FrauenGenderBibliothek Saar sowie Privatpersonen.

Eine Veröffentlichung der Forschungsergebnisse der Wissenschaftlerin Dr. Kirsten Plötz und des Wissenschaftlers Dr. Frédéric Stroh ist in Form einer Publikation geplant.

Weitere Informationen zu dem geplanten Gedenkort in der Faßstraße gibt es auf der städtischen Website zum Thema Erinnern.

Pressedownload

Eine Visualisierung des Siegerentwurfs „Saarbrückens Goldener Kitt“ steht für redaktionelle Zwecke unter Angabe der Quelle „Julia Treichel“ kostenfrei zur Verfügung.