Was uns bewegt - Newsblog aus dem Frauenbüro

Teil unserer täglichen Arbeit ist Informationsverarbeitung: Wir lesen, wir diskutieren, wir beobachten. Deshalb teilen, und kommentieren wir an dieser Stelle in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen aktuelle Themen, die uns gerade bewegen.

Frauen in Führung: Mixed Leadership Barometer

Chefinnen - Tima Miroshnichenko

Chefinnen - Tima Miroshnichenko

Chefinnen - Tima Miroshnichenko

Während die einen von „Höchststand“ (haufe) und „Rekordniveau“ (Ernst & Young) schreiben, titeln die anderen mit „Minderheit“ (Handelsblatt) und „noch immer wenige Frauen“ (Süddeutsche Zeitung). Beides ist richtig: Mitte 2023 sind 17 Prozent der Vorstandsmitglieder in DAX, MDAX und SDAX weiblich. Selbst im DAX, mit dem höchsten Frauenanteil in Vorständen, schaffen Frauen es nicht einmal in einem Viertel in den Vorstand. Ja, der Anteil ist gestiegen. Doch in 42 Prozent der Konzerne gibt es kein einziges weibliches Vorstandsmitglied.

Die Einen berichten über die Quote als Zwang, die Anderen als das Mittel Gerechtigkeit voran zu bringen. Ich bin zwiegespalten. Ja, ich wünsche mir, dass Frauen endlich die gleichen Chancen haben in alle (Einkommens-)Bereiche und Hierarchieebenen der Arbeitswelt aufzusteigen, weil es ihnen genauso zusteht wie den Männern, die diese Posten schon lange besetzen. Gleichzeitig habe ich wenig Hoffnung in die Frauenquote als Mittel auf dem Weg in eine bessere Welt. Wenn die Mietpreise bei Vonovia für viele Mieter*innen unerschwinglich werden, verbessert es die Lage nicht wirklich, dass an den Entscheidungen ausreichend Frauen beteiligt waren.

Gewalt gegen Frauen: Lagebild Häusliche Gewalt

So niedrig der Frauenanteil in Unternehmensvorständen ist, so hoch ist er in etwa unter den Betroffenen von häuslicher und Partnerschaftsgewalt. Nach polizeilicher Kriminalstatistik ist das Verhältnis mit 71 bis 80 Prozent Frauenanteil unter den Opfern nahezu komplementär zu dem in deutschen Vorstandsetagen. Das Saarland hatte im Jahr 2022 unter allen Bundesländern den stärksten Anstieg häuslicher Gewalt zu verzeichnen.

Der feine Unterschied in diesen Statistiken liegt aber nicht nur in den Zahlen. Er liegt auch darin, dass die Messung der Quoten in Vorständen zuverlässig sein dürfte; die polizeiliche Kriminalstatistik dagegen erfasst nur die Fälle, die zur Anzeige gebracht werden – die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen.

Männer, Frauen, Rollenbilder: Spannungsfeld Männlichkeit

In einer Umfrage von Plan International geben 34 Prozent der 18 bis 34-jährigen männlichen Befragten an, gegenüber Frauen handgreiflich zu werden, um ihnen „Respekt einzuflößen“. 52 Prozent sehen sich entsprechend einer traditionellen Rollenverteilung als Hauptverdiener und finden, dass hauptsächlich die Frauen in einer Partnerschaft für die Hausarbeit zuständig sind. Etwa die Hälfte der Befragten fühlt sich von Homosexualität unter Männern gestört und möchte keine Beziehung mit einer Frau, die viele Sexualpartner hatte – diese Hälfte der jungen Männer hat ein Problem mit Homosexualität und sexueller Selbstbestimmung von Frauen. Die Zahlen sprechen für sich.

Die Studie haben wahrscheinlich alle gelesen, die sich für Geschlechterthemen interessieren. Über die Reaktionen habe ich mich allerdings selbst im frauenpolitischen Umfeld gewundert: Anstatt über die Ergebnisse und gesellschaftliche Probleme mit unseren Vorstellungen von Männlichkeit und Geschlechterrollen zu diskutieren, wurde die Debatte schnell verlagert. Die Repräsentativität der Stichprobe wurde angezweifelt, die Art der Befragung kritisiert und die Ergebnisse in Zweifel gezogen. Ich empfehle, doch lieber nochmal die Studienergebnisse zu diskutieren, die zwar unschön sind, aber einer Befragung entspringen, die mit den meisten anderen in Sachen Gütekriterien durchaus mithält.

Gleiche Arbeit, gleicher Lohn?

Gender Pay Gap – vom abstrakten Maß zur schreienden Ungerechtigkeit

gender pay gap protest - Nick Efford

gender pay gap protest - Nick Efford

gender pay gap protest - Nick Efford

Das Statistische Bundesamt hat aktuelle Zahlen zum Gender Pay Gap veröffentlicht: Der unbereinigte Gender Pay Gap lag 2022 im dritten Jahr in Folge bei 18 Prozent - damit verdienten Frauen im Schnitt 4,31 weniger pro Stunde als Männer. Der bereinigte Gender Pay Gap liegt 2022 mit 7 Prozent sogar leicht höher als in den Vorjahren.

Nun sind 18 Prozent eine abstrakte Zahl, von der ich gar nicht so recht weiß, was sie für mich bedeutet. Ich stelle also eine Rechnung für den unbereinigten Gender Pay Gap an – den aktuell realen Unterschied, inklusive Unterschieden in Arbeitsumfang, Qualifikation und Berufserfahrung wie er in der Deutschen Bevölkerung besteht: Umgerechnet auf ein Vollzeit-Arbeitsjahr (womit wir schon einen der wichtigsten Faktoren, den unterschiedlichen Arbeitsumfang, herausrechnen) mit durchschnittlich 1.602,5 Stunden ergibt der durchschnittliche Stundenlohn für Männer von 24,36 Euro ein Jahresgehalt von 39.036,90 Euro.

Der durchschnittliche Stundenlohn von 20,05 Euro für Frauen ergibt ein Jahresgehalt von 32.130,13 Euro. Damit verdienen Frauen im Schnitt jedes Jahr 6.906,77 Euro weniger als Männer. Wenn wir davon ausgehen, dass Menschen in Deutschland 35 Jahre arbeiten bis sie Rente beziehen, summiert sich dieser Unterschied auf 241.736,95 Euro.

Kleine Erfolge feiern

Bundesarbeitsgericht erklärt Lohnungleichheit in konkretem Fall für rechtswidrig

Wenn wir anklagen, dass Frauen schlechter bezahlt werden als Männer, schlägt uns häufig das Argument entgegen, dass sie eben auch zu wenig fordern. Woher aber wissen wir was „zu wenig“ ist, in einer Welt, in der wir als Bewerber:innen konkurrieren und Lohntransparenz für viele ein Fremdwort ist? Eine Arbeitnehmerin klagte gegen ihren Arbeitgeber als sie erfuhr, dass sie weniger Gehalt für die gleiche Arbeit erhielt als ihr Kollege, der nur kurz vor ihr eingestellt worden war. Das Bundesarbeitsgericht hat gab ihr Recht und hat entschieden, dass Lohngleichheit nicht vom Verhandlungsgeschick der Bewerber:innen abhängen darf.

Patriarchale Verhältnisse

„Natürliches“ Verhältnis der Geschlechter oder veränderbares Konstrukt?

Mich treibt immer wieder die Frage um, auf welche Weise Geschlechtlichkeit und die daran geknüpften Erwartungen, Rollenverständnisse und Lebensrealitäten von uns Menschen geformt wurden. Dazu in Forschungsarbeiten zu wühlen macht allerdings nicht immer Spaß und ist für mich oft schwer verständlich. Etwas besser zugänglich als meine letzte Lektüre – Friedrich Engels‘ Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats – ist ein aktueller Artikel in der Zeitschrift National Geographic über die Entwicklung der Rolle der Frau von der Altsteinzeit bis heute.

Verhütung ist Männersache

Während die Erfindung der Pille im vergangenen Jahrhundert Frauen Zugang zu und die Kontrolle über Verhütung brachte, steht sie heute aufgrund von Nebenwirkungen zurecht in der Kritik. Trotzdem bleibt sie für viele das Verhütungsmittel der Wahl, die Alternativen erscheinen oft nicht wirklich besser.

Forscher*innen haben jetzt eine neue Methode zur Empfängnisverhütung bei Männern getestet: Dazu soll kurz vor dem Geschlechtsverkehr eine Pille eingenommen werden, die die Beweglichkeit und Reifung der Spermien vorübergehend hemmt. Die Pille enthält einen sicheren Wirkstoff, der männliche Mäuse im Laborversuch vorübergehend unfruchtbar gemacht hat: Die Wirkung setzt kurzfristig ein und lässt auch kurzfristig wieder nach; einen Tag nach Einnahme kehrt die Fruchtbarkeit zurück. Die Studie zeigt, dass diese Methode für eine einmalige Anwendung geeignet ist und Männer prinzipiell eine hormonelle Verhütungsmethode nutzen können.

Wir sind gespannt, wie die Forschung weiter verläuft und hoffen, dass wir davon bald auch praktischen Nutzen erwarten können!