So stellten sich zwei Berliner Architekten die Bebauung des Trillers vor

Ein „Zufallsfund“ im Bestand des Archivs des Berliner Architekturmuseums zur baulichen Entwicklung Saarbrückens Anfang des 20. Jahrhunderts

Archive erlauben es Geschichte nachzuvollziehen, etwa zu rekonstruieren, wie sich unsere Stadt entwickelt hat. Auch Archive anderer Einrichtungen können dabei hilfreich sein, wie eine Entdeckung im Archiv des Berliner Architekturmuseums zeigt.

Es geht dabei um Entwürfe zur Bebauung des Saarbrücker Trillers mit der Bezeichnung "Bergfried". Beide Entwürfe gehören scheinbar zu einem Wettbewerbsentwurf der renommierten Architekten und Städteplaner Josef Brix (1859-1943) und Felix Genzmer (1865-1929).

Genzmer hatte 1903 die Nachfolge von Julius Raschdorff im Bereich Städtebau an der Technische Hochschule Charlottenburg angetreten. Gemeinsam mit seinem Kollegen Brix gründete er dort im Wintersemester 1907/1908 das Seminar für Städtebau. Beide betrieben in Berlin zudem gemeinsam ein Architekturbüro.

Das Motto: „Bergfried“ - Eine Kirche, Landhäuser und Parkanlagen

Die mit Blatt 5 gekennzeichnete Zeichnung (TU Berlin, Architekturmuseum Inv. Nr. 20369) zeigt im Zentrum ein Kirchengebäude, gegenüber eine barock gestaltete aufwendige Treppenanlage. Blatt 6 (TU Berlin, Architekturmuseum Inv. Nr. 20370) veranschaulicht neben den zahlreichen freistehenden Villen eine serpentinenartige Auffahrt mit ihren Stützmauern sowie diverse Treppenanlagen.

Auffällig ist ein Gebäude, entworfen in der Art einer recht prächtigen dreiflügeligen „Gutshofanlage“ mit gegenüberliegenden halbkreisförmigen Kolonnaden. Hierbei handelt es sich vermutlich jedoch um ein Haus mit Mietwohnungen. Alle Häuser, ob Reihenhausbebauung oder freistehende Villen folgen in ihrer einheitlichen architektonischen Gestaltung dem sogenannten Heimatstil.  Ein spannender Fund, dem es unbedingt nachzuspüren galt.

Ein neues Wohngebiet für Saarbrücken

Ausschnitt eines Stadtplans von Saarbrücken, 1939 - Stadtarchiv Saarbrücken, KuP 1920

Ausschnitt eines Stadtplans von Saarbrücken, 1939 - Stadtarchiv Saarbrücken, KuP 1920

Ausschnitt eines Stadtplans von Saarbrücken, 1939 - Stadtarchiv Saarbrücken, KuP 1920

Die architektonische Ausgestaltung der Häuser legte nahe, dass diese Pläne um das Jahr 1910 herum entstanden sein müssen. Zur Erschließung der Neubaugebiete der heutigen Landeshauptstadt haben sich leider nicht allzu viele Akten erhalten.

Aufschlussreich erwiesen sich dann jedoch die sogenannten Straßenakten aus dem Bereich des historischen Bauaktenbestandes des Stadtarchivs. Mit deren Hilfe ließen sich die Berliner Entwürfe in die städtebauliche Entwicklung Saarbrückens einfügen und genauer zuordnen.

Ähnlich wie augenblicklich benötigte bereits die damals noch selbstständige Stadt Saarbrücken – heute Alt-Saarbrücken – Wohnraum für die im Zuge der Industrialisierung stetig wachsende Bevölkerung. Anfang 1909, rund drei Monate vor der Vereinigung von Saarbrücken, St. Johann und Malstatt-Burbach zur Großstadt Saarbrücken am 1. April 1909, schrieb sie daher einen Wettbewerb zur Erschließung des bisher im Wesentlichen noch unbebauten und überwiegend landwirtschaftlich genutzten Hügels am Triller aus.

Die Problematik und die Herausforderung des projektierten Wohngebietes lagen in der extremen Hanglage und der Entwässerung des Geländes. Auch die gesamte Infrastruktur musste noch auf den Berg gebracht werden und die wenigen vorhandenen Straßen, die noch Feldwegen glichen, befestigt werden.

Ein Bebauungsplan für den Triller

Bereits 1906 hatten die ersten Überlegungen und Auseinandersetzungen um einen Bebauungsplan begonnen, sich eine Bürgerinitiative „Trillerkommission“ gegründet. Am 26. Oktober 1908 beschloss die Stadtverordnetenversammlung schließlich unter dem Vorsitz des kommissarischen Bürgermeisters Paul Schmook, einen Wettbewerb für einen Bebauungsplan auf dem Triller auszuschreiben.

Das zu bebauende Gelände des Trillers erstreckte sich im Norden von der Vorstadtstraße, der Lenzengasse und dem Trillerweg bis zum Lerchesflurweg im Süden und reichte im Osten vom Trillerweg zur Spichererbergstraße und im Westen bis zur Metzerstraße. Die Ausschreibung erfolgte am 14. Januar 1909, Abgabeschluss war der 1. Mai 1909.

52 Wettbewerbsentwürfe

Die Resonanz auf den Wettbewerb war groß: 52 Wettbewerbsbeiträge gingen ein. Nach einer längeren Verzögerung, bedingt durch die Großstadtgründung und terminliche Schwierigkeiten, tagte das Preisgericht schließlich am 22. Oktober 1909 im nunmehr Alten Rathaus am Saarbrücker Schlossplatz und kürte die Sieger.

Dem Preisgericht gehörten neben dem gerade neugewählten Oberbürgermeister der Großstadt, Emil Mangold, der Erste Beigeordnete Schlosser an, Steuerinspektor Bastian, der Stadtverordnete und Architekt Kaiser, Stadtbaumeister Knipper, der Stadtverordnete und Landesbauinspektor Quentell sowie der Architekt Weszkalnys und als Obergutachter der namhafte Städteplaner Geheimrat Dr. Ing. Karl Wilhelm Henrici aus Aachen.

„Auf der Höh“ gewinnt - „Bergfried“ scheidet aus

Den ersten Preis erhielt der Entwurf „Auf der Höh“, eingereicht von Regierungsbaurat W. Eberhardt und Architekt Heinrich Henes aus Stuttgart. Mit dem zweiten Preis ausgezeichnet wurde der Entwurf „Dreibund“ des Ingenieur- und Vermessungsbüros I. Raisch aus Mannheim und der dritte Preis ging an den Entwurf „Roter Stern“ der beiden Techniker des Mainzer Tiefbauamtes L. Grozinger und I. Meyer.

Der Entwurf „Bergfried“ der beiden Berliner Architekten Brix und Genzmer schied mit zwanzig anderen bereits in der ersten Runde aus.  In der Niederschrift hieß es: „Bei einer ersten Sichtung wurden wegen nicht genügender Erfüllung des Programmes, ferner wegen offenbaren Mangels an ausreichender Kenntnis des Geländes, wegen zu starker Steigungen wichtiger Straßenzüge, wegen Mangels an geeigneten Anschlüssen an die vorhandenen Verkehrsstraßen und wegen sonstiger Schwächen und Mängel ausgeschieden die Entwürfe: No. 4 mit dem Kennzeichen „Dreieck“; No. 5 mit dem Kennwort „Hohe Promenade“; No. 7 mit dem Kennwort „Bergfried“. Es folgen 18 weitere Entwürfe.

Die ausgeschiedenen Entwürfe schickte man üblicherweise an die einreichenden Büros zurück. So ging auch der Entwurf „Bergfried“ an seine Verfasser zurück nach Berlin. Und er gelangte irgendwann in die Bestände der Plansammlung der Technischen Universität Berlin. Der Siegerentwurf „Auf der Höh“ konnte indes bisher nicht ausfindig gemacht werden. Inwiefern die Bebauung des Trillers diesem folgte, lässt sich daher nicht sagen.

Gartenstadt oder Villenkolonie

Stadtarchiv Saarbrücken, V61.HA-21363

Stadtarchiv Saarbrücken, V61.HA-21363

Stadtarchiv Saarbrücken, V61.HA-21363

Interessant aus heutiger Sicht ist die Tatsache, dass hier auf dem Triller durchaus eine kleine eigenständige „neue Stadt“ angedacht war – wie sie auch Brix und Genzmer in ihrem Entwurf vorgesehen hatten – mit einer Kirche im Zentrum, umgeben von einem Ärztehaus, einer Apotheke, einem Gasthof und einem Postamt, mit kleinen Parkanlagen sowie einem Konzert- und/oder Biergarten zur Spichererbergstraße hin gelegen.

Keine dieser ursprünglichen Ideen ist indes umgesetzt worden. Der Erste Weltkrieg ließ die Planungen erst einmal ruhen. Um 1920 waren auf dem Triller lediglich 20 meist repräsentative, freistehende Wohnhäuser entstanden.

Fest steht, dass man sich drei Jahre nach dem Wettbewerb immer noch nicht recht einig war, in welcher Art das Wohngebiet gestaltet werden sollte.  Man schwankte zwischen einer Gartenstadt und einer Villenkolonie, einer geschlossenen Bebauung und einer offenen. Sollten die Häuser direkt an der Straße stehen, sollte ein Vorgarten Pflicht sein, Hecken oder Mauern als Einfriedung bestimmt werden?

Repräsentativer Wohnraum, hoch gelegen, fernab der Abgase und der Rauchentwicklung der Hütten- und Industrieanlagen entlang des Saartales – gesunde Luft auf der Berghöhe – war das Motto!  Hohe Gebäude auf die Bergkuppe, niedrigere an den Berghang – so dachte man zu planen.  Bei der Anordnung wollte man ein „unübersichtliches Häusergewirr“ wie auf dem Reppersberg unbedingt vermeiden.

Einerseits sollten die „prächtigen Ausblicke“ über die Stadt genutzt werden, andererseits musste auch die Wirkung des neuen Stadtteiles von der Altstadt aus berücksichtigt werden. Eine ruhige Silhouette schwebte den Planern vor. Auch hier musste wieder der Reppersberg als Negativbeispiel herhalten und auch die beiden bereits auf dem Triller vorhandenen „Ritter‘schen Villen“ standen bezüglich ihrer Fernwirkung in der Kritik.

Schlaglöcher, Sumpf, Morast und Lebensgefahr

...denn es ist für Geld und gute Worte kein Fuhrwerksbesitzer aufzutreiben, der einen Arzt der schlechten Wegeverhältnisse halber zum Triller fährt... Schreiben des Spediteurs Carl Hillebrand, 1919

Heftiger Kritik sah sich die Stadtverwaltung über Jahre hinweg bezüglich des Zustandes der Straßen ausgesetzt. Diese glichen immer noch unbefestigten Feldwegen, waren viel zu eng, versumpft und voller Schlaglöcher. Anwohner und Fuhrunternehmer beklagten, dass sich ihre Pferde regelrecht quälen müssten und die Verletzungsgefahr für die Tiere enorm hoch sei.

Es sei teilweise sogar lebensgefährlich, für Mensch und Tier, den Triller zu befahren. Selbst ein Arzt sei im Notfall kaum bereit, auf den Berg hinauf zu kommen. An dieser Situation sollte sich viele Jahre nichts verbessern. 1922 musste der Trillerweg für den Lastkraftwagenverkehr sogar gesperrt werden, selbst PKW kamen auf den versumpften Wegen kaum voran.

Das heutige „Blumenviertel“

Blick auf den Triller, 2023 - Stadtarchiv Saarbrücken, Ruth Bauer

Blick auf den Triller, 2023 - Stadtarchiv Saarbrücken, Ruth Bauer

Blick auf den Triller, 2023 - Stadtarchiv Saarbrücken, Ruth Bauer

Unbedingt erwähnt sei an dieser Stelle noch, dass die Straßen auf dem Triller bei seiner Erschließung ab 1910 gänzlich andere Namen trugen als heute. Ihre aktuellen Bezeichnungen erhielten sie teilweise im Zuge der Straßenumbenennungen nach dem Zweiten Weltkrieg am 28. Februar 1947 oder dann im Zuge der vollständigen Bebauung des heute so genannten „Blumenviertels“ in den 1960er Jahren, im Jahr 1968.

Die Fliederstraße umfasst die damalige Auerswaldstraße (der Bereich der heutigen Hausnummern 30-44; zwischenzeitlich hieß sie auch Tulpenstraße) und die einstige Bredowstraße. Die Nelkenstraße war die Blumenthalstraße und ihr zugeschlagen wurde ein Teil der Straße „Im Gebück".

Die Lilienstraße hieß ursprünglich Kirchbachstraße und die Hyazinthenstraße war die Manteuffelstraße. Aus der Prinz-Friedrich-Karl-Straße wurde 1947 die Graf-Philipp-Straße und aus der Fröschweiler Straße 1949 die Stieringer Straße. Die Lenzengasse ist heute Bestandteil des Trillerwegs. (RB)