Das jüdische Gedenkbuch

Präsentation des jüdischen digitalen Gedenkbuches am 20. Januar im Filmhaus - LHS

Präsentation des jüdischen digitalen Gedenkbuches am 20. Januar im Filmhaus - LHS

Präsentation des jüdischen digitalen Gedenkbuches am 20. Januar im Filmhaus - LHS

Die Rubrik Fakten und Erklärungen

Das digitale jüdische Gedenkbuch wurde durch das Stadtarchiv der Landeshauptstadt erarbeitet und im Januar 2023 veröffentlicht. Es besteht aus zwei großen Bereichen, einer davon ist die Rubrik „Fakten und Erklärungen“.

Sie enthält eine ausführliche historische Darstellung jüdischen Lebens im Saarland vom Mittelalter bis zur Zeit des Nationalsozialismus und informiert über die Rolle Saarbrückens als Zentrum der jüdischen Gesellschaft im Saarland, 50 Prozent der jüdischen Bevölkerung war hier ansässig.

Jüdische Menschen hatten insbesondere vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die 1930er Jahre einen wesentlichen Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung der Region, waren in der Gesellschaft präsent. Das Gedenkbuch geht ausführlich auf die Rolle dieser Menschen in Politik, Kultur und Sport sowie im Arbeitsleben ein.

Ebenso wird die Entwicklung des schon weit vor den Nationalsozialisten in den Köpfen der Bevölkerung verankerten Antisemitismus behandelt, so wie auch die Verfolgung saarländischer jüdischer Menschen durch das Nazi-Regime.

Das Gedenkbuch stellt Biographien bedeutender jüdischer Persönlichkeiten vor, informiert über Religion und Brauchtum und präsentiert die einzelnen Aspekte der heutigen Erinnerungskultur, von der Gedenkstätte Neue Bremm über den Rabbiner-Rülf-Platz bis hin zum „Band der Erinnerung“ auf dem „Platz der Erinnerung“ vor der Synagoge, das ein namentliches Gedenken an saarländische jüdische NS-Opfer ermöglicht.

Literaturempfehlungen zur Geschichte des jüdischen Lebens, geordnet nach Landkreisen, ermöglichen es Interessierten, sich tiefer gehend mit der jüdischen Geschichte in der eigenen Region zu befassen.

Die Opferdatenbank des jüdischen Gedenkbuchs

Der zweite Bereich des Gedenkbuchs ist die über 20 000 Datensätze umfassende Opferdatenbank. Sie ermöglicht es, die Spuren jüdischen Lebens und den Holocaust aus regionaler Perspektive nachzuvollziehen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur saarländischen Erinnerungskultur. Um einen umfangreichen Zugang zu ermöglichen, wurden bereits alle Datensätze freigeschaltet, die abschließende Prüfung der einzelnen Datensätze dauert allerdings noch an.

Zu jeder erfassten Person existiert in der Datenbank ein eigener Datensatz. Dieser enthält neben Lebensdaten und Angaben zum Wohnort auch Angaben zu Eheleuten, Eltern, Geschwistern und Kindern der betroffenen Person. Diese sind wiederum anklickbar, sodass leicht Querverbindungen hergestellt und Familienzusammenhänge erfasst werden können.

Ebenso wird, sofern vorhanden, auf Akten aus dem Bestand des Landesentschädigungsamtes (LEA) verwiesen, die als eine der Hauptquellen für die Erstellung der Datengrundlage gedient haben. Mittels der genannten Signaturen können die jeweiligen Akten im Landesarchiv eingesehen und so die im Gedenkbuch ausgewerteten Informationen nachvollzogen werden.

Zu jeder erfassten Person gibt es außerdem ein Vita-Feld, das detaillierte Informationen zu den einzelnen Wohnsitzen und Umzügen, zum beruflichen Werdegang und zum weiteren Lebenslauf, etwa hinsichtlich politischer Betätigung oder zum Verfolgungsweg der Person liefert. Daneben existiert ein Bemerkungsfeld, das vor allem verwandtschaftliche Beziehungen erfasst. Die beiden letztgenannten Felder sind in ihrer Ausführlichkeit sehr unterschiedlich, abhängig von den jeweils vorliegenden Informationen.

Der Umfang der Datenbank mit mehr als 20 000 Menschen mag auf den ersten Blick verwundern. Die Datenbank umfasst Personen, die aufgrund ihres jüdischen Glaubens, ihrer sogenannten jüdischen Rasse oder aufgrund familiärer Verbindungen zu jüdischen Menschen Opfer des Nationalsozialismus wurden.

Als „Saarländer“ aufgenommen wurden Personen, die entweder im Saarland geboren wurden oder mindestens ein Jahr dort gelebt haben. Zudem gibt es Menschen, die bereits vor der NS-Zeit verstorben sind, die aber trotzdem – etwa als Elternteil eines Opfers – mit in den Datenbestand aufgenommen wurden, um ein umfassendes Bild zu vermitteln.

Um diese verschiedenen Personengruppen voneinander abzugrenzen, wurde zu jedem Eintrag ein „Status“ angegeben, aus dem direkt ersichtlich ist, ob die jeweilige Person selbst ein Opfer der NS-Verfolgung geworden ist, oder ob sie beispielsweise aufgrund von verwandtschaftlichen Bezügen einen Eintrag im Gedenkbuch erhalten hat. Nähere Informationen zu den vergebenen Kategorien finden sich unter Hinweise zur Datenbank.

Neuerungen in der Recherche

Die Recherchemaske des Gedenkbuchs bot bislang die Suchfelder Nachname, Vorname, Geburtsname, Geburtsort, Wohnort (zum Zeitpunkt der Schädigung) und Sterbeort, die Aktivierung eines Kontrollhakens erlaubte die Suche nach phonetisch ähnlich klingenden Worten, zusätzlich war das Vita-Feld durchsuchbar. Besonders letzteres ist interessant, um zum Beispiel nach einzelnen Berufsgruppen zu filtern oder Menschen zu finden, die in einer bestimmten Straße wohnhaft waren.

Neu hinzugekommen ist nun die Möglichkeit, Suchangaben mittels eines Sternchens (*) zu trunkieren. Wenn die genaue Schreibweise eines Namens oder eines Ortes nicht bekannt oder uneindeutig ist, kann so auch nur der Beginn oder das Endes des Wortes eingetippt und der Rest des Begriffs durch den Stern ersetzt werden.

Auch die Recherche nach Berufsgruppen wird hierdurch vereinfacht: Sofern die männliche und die weibliche Berufsbezeichnung über denselben Wortstamm verfügen, können nun in einem einzigen Recherchevorgang Treffer für männliche und weibliche Personen erzielt werden, indem die Endung durch den Stern ersetzt wird – so etwa bei Goldschmied* oder Verkäufer*.

Möglich ist es nun auch, mittels Volltextrecherche ein Stichwort einzugeben, das dann über sämtliche Datenbankfelder gesucht wird. Insbesondere in der Kombination mehrerer Suchbegriffe bietet diese Funktion tolle Möglichkeiten.So kann der Suchbegriff „Saarbrücken“ in der Volltextsuche mit einem beliebigen Nachnamen wie etwa „Rosenthal“ kombiniert werden und liefert dann Treffer zu allen Menschen dieses Nachnamens, die irgendwann in ihrem Leben (nicht nur zum Zeitpunkt der Schädigung) in Saarbrücken gelebt haben, dort geboren oder gestorben sind.

Neu verfügbar sind ebenfalls die Suchfelder Geburtsdatum und Todesdatum. Hierbei ist sowohl die Eingabe eines taggenauen Datums als auch die Angabe des Jahres möglich. Diese Funktion bietet neue Suchansätze für ganz verschiedene Fragestellungen.

So kann mit einem taggenauen Geburtsdatum (eventuell unter Hinzufügen eines weiteren Parameters wie etwa des Geburtsortes) nach Personen gesucht werden, deren Namensschreibweise nicht eindeutig ist oder die den Namen im Verlauf ihres Lebens gewechselt haben.

Auch Personen, die unter ihrem Namen nicht ermittelt werden können – weil in der Datenbank womöglich eine unbekannte oder fehlerhafte Schreibweise verwendet wurde – sind so auffindbar.

In der Kombination des Geburtsjahres mit dem Geburtsort oder dem Wohnort erlaubt diese Suchfunktion die Recherche nach Personen eines bestimmten Jahrgangs.So kann etwa nachvollzogen werden, wie sich das Leben der Mitglieder eines bestimmten Schuljahrganges entwickelt hat, auch wenn diese Menschen der suchenden Person im Einzelnen noch nicht namentlich bekannt sind.

Innerhalb eines Suchvorgangs kann nach Geburts- und Sterbejahr zugleich recherchiert werden. So kann beispielsweise ermittelt werden, wie viele Kinder einer bestimmten Altersgruppe Opfer der NS-Verfolgung wurden.

Die Option, ein genaues Sterbedatum einzugeben, ermöglicht es zudem herauszufiltern, wie viele und vor allem welche Menschen in einer sogenannten Aktion der Nationalsozialisten umgebracht wurden. Die Recherche nach dem Todesdatum „10.08.1942“ und dem Todesort „Auschwitz“ liefert 36 Treffer, all diese Menschen kamen an diesem Tag mit dem Transport Nummer 17 aus dem Lager Drancy bei Paris in Auschwitz an und wurden bei ihrer Ankunft direkt umgebracht.

Zu beachten ist, dass bei all diesen Suchkombinationen auch immer wieder Personen auftauchen können, die nicht zur eigenen Suchanfrage passen. So könnte es bei der zuletzt genannten Anfrage theoretisch auch Menschen gegeben haben, die auch am 10.08.1942 in Auschwitz verstorben sind, ohne Teil des Transportes Nummer 17 gewesen zu sein. Es ist daher notwendig, jeden einzelnen Datensatz, den die Suche auswirft, nochmal in Hinblick auf die eigene Suchanfrage zu prüfen.

Dennoch kann mit Hilfe der neuen Recherchefunktion rasch ein Überblick zu Fragestellungen gewonnen werden, die mit den ursprünglichen Suchfeldern überhaupt nicht abzubilden gewesen wären. Die neuen Funktionen sind daher eine wertvolle Ergänzung zu den bisherigen Optionen und können der Forschung und allen Interessierten neue Themenbereiche erschließen. (KS)