Heribert Friedl – Passager

Mitte Februar startet das Ausstellungsprogramm mit zwei sehr unterschiedlichen Positionen, die sich beide unmittelbar auf die räumliche Situation der Stadtgalerie beziehen. 

19.02.2016 - 24.04.2016

Installationsansicht, Heribert Friedl, La ville c'est moi, getragene Kleidung, 2016, Saarbrücken, Foto: Anton Minayev - Stadtgalerie

Installationsansicht, Heribert Friedl, La ville c'est moi, getragene Kleidung, 2016, Saarbrücken, Foto: Anton Minayev - Stadtgalerie

Installationsansicht, Heribert Friedl, La ville c'est moi, getragene Kleidung, 2016, Saarbrücken, Foto: Anton Minayev - Stadtgalerie

Im Mittelpunkt der künstlerischen Arbeiten von Heribert Friedl (*1969 in Feldbach / Steiermark) stehen radikal reduzierte Werke. Sie bewegen sich an der Grenze der visuellen Wahrnehmbarkeit. Diese nonvisualobjects drehen sich um die interaktive Wirkung von Gerüchen, die in einer ortsbezogenen Wandinstallation Historie und Gegenwart Saarbrückens zum Thema macht. Eine zweite skulpturale Installation aus abgelegter Kleidung greift den Geruchsaspekt auf und erweitert ihn hin zu einer sozial engagierten Position.

Heribert Friedl schloss sein Studium an der Universität für Angewandte Kunst in Wien 1998 mit Auszeichnung ab und war seitdem in zahlreichen Gruppen und Einzelausstellungen international vertreten.

Die Stadtgalerie widmete sich von Beginn an den Kunstformen, die experimentiert, provoziert und immer auch die Aufmerksamkeit dahin gelenkt haben, wo sich unsere politische Realität, unsere Bildwelt und damit auch unsere Wahrnehmung verändert.

So erleben wir im Obergeschoss bei Koganezawa eine Bilderflut, die etablierte Kunstkategorien aushebelt, indem der Künstler Zeichnung, Malerei und Skulptur durch Videobilder in Bewegung versetzt – ein Phänomen, das als Konsequenz aus unserem Medienzeitalter zu sehen ist und den veränderten Wahrnehmungsgewohnheiten Rechnung trägt, denen wir alle in unserer computergesteuerten Welt ausgesetzt sind. Bei Heribert Friedl ist die Konsequenz eine andere: Wir sehen nichts. Oder zumindest nichts, was nach Kunst aussieht. Eine Rauminstallation aus zusammengefalteten Kleidungsstücken – gebraucht, gesammelt, zur Skulptur geschichtet. In Friedls Installation sind diese Kleider so aufbereitet, dass sie den Raum bestimmen – mit ihrer Stofflichkeit, ihren Farben, und vorallem: mit ihrem Geruch.

La Ville c’est moi – so der Titel dieser Arbeit, ist das Portrait einer Stadt, repräsentiert durch die Kleidung ihrer Bürger, die an Stelle der Körper getreten ist. Eine bunte, vielfältige Welt an Mustern, Schnitten und Farben, an Stilen und geschmacklichen Vorlieben – weiblich und männlich, jung und alt, arm und reich. Dieser Querschnitt bildet eine abstrakte Skulptur, die zudem von Parfums, Waschmittelduftstoffen und Körpergerüchen durchwirkt ist. Am Ende der Ausstellung wird dieser Kleiderkosmos wieder seiner Bestimmung übergeben und denjenigen zur Verfügung gestellt, die diese Kleider am dringendsten brauchen: Flüchtlinge und Bedürftige, bei denen Friedls Kunst dann ganz praktische Verwendung findet.

Auch diese Arbeit ist ein Indiz dafür, dass wir es hier mit einem Nachdenken darüber zu tun haben, was Kunst heute sein kann und muss, um uns bewusst zu machen, dass unsere sinnlichen Fähigkeiten weit über das hinausgegen, was uns die digitale Welt suggeriert und abfordert. Dass wir nicht nur sehende und kalkulierende, sondern fühlende und riechende Menschen sind, die ihre Welt assoziativ und intuitiv erfassen, um sich zu erinnern und sich zu öffnen für neue Erfahrungen.

Heribert Friedl, der sein Studium an der Universität für Angewandte Kunst in Wien 1998 mit Auszeichnung abgeschlossen hat, entwickelt Arbeiten, die sich an der Grenze der visuellen Wahrnehmbarkeit bewegen. Friedls Kunst basiert auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass wir visuelle Erlebnisse, die wir mit bestimmten Gerüchen verbinden, sehr viel besser in Erinnerung behalten. Diese Erlebnisse sind auch noch nach Jahren klar und intensiv präsent. Seine nonvisualobjects arbeiten mit dieser Erfahrung und so nehmen wir sie in erster Linie über die Nase wahr. Die Bilder, die seine Installationen wachrufen, entstehen allein in unserem Kopf. So konzentriert sich seine Arbeit auf die reinste und radikalste Form von Kunst: das imaginäre Bild.

Das heißt, Friedls nonvisualobjects drehen sich um die interaktive Wirkung von Gerüchen, wie sie auch in seiner Wandmalerei im hinteren Ausstellungsraum zum Ausdruck kommt, in der er die Geschichte Saarbrückens zum Thema macht. Hier lassen sich Schriftzeichen erkennen, eine Lasur, die der Künstler aufgetragen hat, als Untergrund für die Düfte, mit denen er bei seinem Publikum Erinnerungen und Sehnsüchte wachrufen, Assoziationen und Gefühle auslösen will. In dem Augenblick, in dem wir die Wand berühren, an der Lasur reiben, um den Duft freizusetzen, lassen wir uns von Friedls olfaktorischer Welt überraschen und werden zu einem Teil seiner Installation. Zugleich werden wir dabei mit unserer eigenen, zutiefst persönlichen Erlebniswelt konfrontiert, die aus einem ganzen Kosmos an erinnerten Gerüchen gespeist wird.

Das menschliche Gehirn ist in der Lage 10.000 Gerüche zu erkennen, in seinem Gedächtnis zu speichern, abzurufen und zuzuordnen. Während das Auge vier Rezeptoren zur Verfügung hat, verfügt die Nase über 320!

Video zur Ausstellung

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